Es gibt Sätze, die man erst versteht, wenn man sie selbst durchlebt hat.
Dieser gehört dazu. Ich habe ihn so oft in mir getragen, unausgesprochen, wie eine leise Wahrheit, die erst dann greifbar wird, wenn man endlich den Mut findet, hinzusehen:
Ich wollte ihm die Liebe geben, die er nie zuvor bekommen hat – und jetzt trage ich den Schmerz, den ich niemals verdient habe.
Ich glaube heute, dass es Menschen gibt, die in uns einen Instinkt wecken, den wir selbst nicht ganz begreifen können. Einen Wunsch, jemanden zu halten, der immer wieder entgleitet. Jemanden zu wärmen, der innerlich friert, obwohl er es nie zugibt.
Jemanden zu lieben, der nie gelernt hat, Liebe anzunehmen, geschweige denn zurückzugeben. Vielleicht war das der Grund, warum ich so lange geblieben bin. Warum ich dachte, ich könnte für zwei lieben. Warum ich geglaubt habe, dass meine Geduld stärker ist als seine Kälte.
Ich habe mich geirrt.
Was ich damals noch nicht wusste: Man kann einem Menschen so viel Liebe geben, dass man am Ende selbst leer wird. Und manche nehmen sie, ohne zu verstehen, was sie bekommen. Sie trinken sie wie Wasser, das sie nur kurz beruhigt, ohne jemals zu fragen, was es dich kostet, ständig nachzuschenken.
Er war einer dieser Menschen.
Ich sah in ihm ein verletztes Herz, eine Geschichte voller Mangel, unerfüllter Bedürfnisse, verschluckter Gefühle. Ich dachte, wenn ich nur sanft genug bin, behutsam genug, loyal genug, dann würde er irgendwann zurückfinden zu dem Teil von sich, der lieben kann.
Ich wollte das Gute in ihm bewahren, selbst wenn ich selbst dafür zerbröselte. Und vielleicht war das der größte Irrtum: zu glauben, dass Liebe jemanden heilt, der sich nicht heilen will.
Es begann leise. In den ersten Wochen hatte ich das Gefühl, er brauche mich. Er öffnete sich nicht, aber ich empfand seine Zurückhaltung als eine Art Schutzpanzer. Ich redete mir ein, dass er Zeit brauche. Dass seine Kälte ein altes Muster sei, keine Entscheidung.
Dass seine Distanz nur aus Angst käme, nicht aus Gleichgültigkeit. Aber irgendwann wusste ich: Ich liebte nicht ihn – ich liebte das Potenzial, das ich in ihm sah. Eine Version von ihm, die er selbst nie erreichen wollte.
Ich gab ihm Liebe, und er gab mir Leere.
Nicht absichtlich, nicht böse, sondern weil er emotional auf einem Fundament stand, das nie stabil gewesen war. Und manchmal ist das genauso zerstörerisch wie bewusste Grausamkeit: eine Unfähigkeit zu fühlen, zu kommunizieren, präsent zu sein.
Eine Unreife, die alles abwehrt, was Nähe bedeutet. Ein innerer Rückzug, der dich glauben lässt, dass du zu viel bist, obwohl er einfach zu wenig ist.
Ich kämpfte um etwas, das er nie mit mir aufgebaut hatte.
Während ich versuchte, ihn zu verstehen, verstand ich mich selbst immer weniger. Ich verlor mich in seinen Defiziten, in seinen Wunden, in dem Wunsch, ihm etwas zu geben, das er nie halten wollte.
Ich hielt durch, auch als er mich emotional auf Distanz schob. Ich blieb, auch als er mich überhörte. Ich liebte weiter, auch wenn ich spürte, dass es mich zerreißt.
Manchmal sind wir nicht in jemanden verliebt, sondern in die Idee, dass unsere Liebe genug sein könnte, um ihn zu verändern.
Doch Liebe ist keine Therapie, und du bist kein Ersatz für all das, was jemand verpasst hat, lange bevor er dich kannte.
Der Schmerz kam später, langsam, aber konsequent. Er kam als Zweifel. Als Erschöpfung. Als das Gefühl, ständig diejenige zu sein, die mehr fühlt, mehr investiert, mehr aushält.
Er kam als Schweigen in Situationen, in denen Worte nötig gewesen wären. Als Abwesenheit, wenn ich ihn brauchte. Als Rückzug, wenn ich Nähe suchte. Und dann irgendwann als Klarheit: Er konnte meine Liebe nicht annehmen – und ich sollte nicht für jemanden kämpfen, der mich nur verliert, statt mich zu halten.
Ich dachte lange, der Schmerz sei ein Zeichen dafür, dass ich versagt habe. Dass ich nicht genug war. Doch heute weiß ich: Der Schmerz war die Rechnung für etwas, das nie ausgeglichen sein konnte.
Er war der Preis für mein eigenes Muster, zu viel zu geben, in der Hoffnung, endlich gesehen zu werden.
Ich habe gelernt, dass Liebe nur dann heilt, wenn sie beidseitig ist. Liebe darf nicht darum bitten, bemerkt zu werden. Sie muss nicht beweisen, dass sie reine Absicht hat. Sie muss nicht an einen Menschen verschenkt werden, der sie nur nimmt, um sein eigenes Loch zu füllen, ohne jemals zurückzugeben.
Der Satz klingt hart, aber er ist wahr:
Nicht jeder, dem wir Liebe geben wollen, kann mit Liebe umgehen.
Manche Menschen sind so sehr mit ihrem eigenen Überleben beschäftigt, dass sie deine Nähe als Bedrohung empfinden. Sie halten dich auf Abstand, weil sie gelernt haben, dass niemand bleibt. Und aus Angst vor dem Verlust zerstören sie die Verbindung, bevor sie entsteht. Nicht, weil du falsch bist, sondern weil sie unfähig sind.
Das ist die Art Schmerz, die man nicht verdient. Aber sie ist die Art Erkenntnis, die man braucht.
Denn irgendwann – nach genug Nächten, nach genug Tränen, nach genug Momenten, in denen du dich fragst, warum du nicht gereicht hast – begreifst du:
Du wolltest heilen, was nicht deine Aufgabe war.
Du wolltest retten, was sich selbst nicht retten wollte.
Du wolltest jemanden lieben, der nicht einmal sich selbst liebt.
Und du zahltest den Preis.
Doch der vielleicht wichtigste Teil dieser Geschichte ist nicht der Schmerz, sondern das, was danach kommt: die Rückkehr zu dir selbst. Zu der Frau, die tief fühlt. Die stark liebt.
Die alles gibt, was sie hat, wenn jemand es verdient. Die nicht abgestumpft ist, sondern mutig. Die nicht kaputt ist, sondern gewachsen.
Ich dachte lange, ich hätte verloren. Heute weiß ich: Ich habe mich wiedergefunden.
Ich wollte ihm die Liebe geben, die er nie bekam.
Doch jetzt gebe ich mir selbst die Liebe, die ich immer verdient habe.
Und das fühlt sich zum ersten Mal nicht wie Schmerz an, sondern wie Heilung.







