„Ein geiziger Mann ist niemals nur beim Geld geizig.“
Ich habe diesen Satz früher oft gehört. Er stand in Kalendersprüchen, wurde von meiner Großmutter gemurmelt oder stand in trivialen Frauenzeitschriften. Ich habe innerlich darüber gelächelt, ihn als platte Lebensweisheit abgetan.
Ein bisschen Sparsamkeit, dachte ich damals, ist doch eine Tugend. In einer Welt, die vom Konsumrausch besessen ist, in der jeder immer mehr will, wirkte ein Mann, der sein Geld zusammenhält, auf mich wie ein Fels in der Brandung. Vernünftig. Bodenständig. Zukunftsorientiert.
Heute weiß ich: Ich habe Sparsamkeit mit Geiz verwechselt. Und ich habe nicht verstanden, dass Geld nur das sichtbarste Symptom einer viel tiefer liegenden Krankheit ist.
Heute, drei Jahre nach einer Beziehung, die mich fast meine gesamte emotionale Lebendigkeit gekostet hat, unterschreibe ich diesen Satz mit meinem eigenen Blut. Ein geiziger Mann ist niemals nur beim Geld geizig.
Er ist geizig mit seiner Zeit, seiner Aufmerksamkeit, seiner Wertschätzung, seiner Zärtlichkeit, seinem Vertrauen – kurzum: mit allem, was eine Beziehung zwischen zwei Menschen lebendig macht.
Ich schreibe diesen Text nicht aus Rache. Ich schreibe ihn nicht, um pauschales „Männer-Bashing“ zu betreiben. Ich schreibe ihn für dich. Wenn du gerade diesen Text liest und dieses flaue Gefühl im Magen hast, weil dein Partner bei jeder Restaurantrechnung zusammenzuckt oder jede deiner Ausgaben kommentiert, dann lies bitte weiter.
Es geht hier um mehr als nur um Euros und Cents. Es geht um dein Herz.
Phase 1: Die Täuschung – „Er ist doch nur vernünftig“
Am Anfang war ich beeindruckt. Als ich ihn kennenlernte, wirkte seine finanzielle Kontrolle attraktiv.
Er hatte sein Leben im Griff, wusste, wo jeder Cent blieb, hatte Rücklagen, sprach von Investitionen und Sicherheit. Ich selbst war eher chaotisch, lebte von Monat zu Monat. Er gab mir das Gefühl von Stabilität.
Dass er nie vergaß zu erwähnen, wie teuer etwas war, erschien mir anfangs fast als charmante Marotte. Wenn ich mir unterwegs einen Kaffee zum Mitnehmen holte und er trocken bemerkte: „Du weißt schon, dass du dir davon in zehn Jahren einen Kleinwagen kaufen könntest, wenn du das Geld anlegst?“, lachten wir beide. Ich hielt das für einen Scherz.
Doch als wir zusammenzogen, merkte ich, dass es kein Scherz war. Es war ein Prinzip. Ein Lebensprinzip, das keine Ausnahmen duldete.
Der Alltag wurde zu einem Minenfeld der Rechtfertigung. Jede Ausgabe wurde kommentiert, seziert und bewertet.
„Musste der Joghurt von der teuren Marke sein?“ (Der Preisunterschied betrug 19 Cent).
„Warum brennt im Flur Licht, wenn du im Wohnzimmer bist?“
„Brauchen wir wirklich Geschenke zu Weihnachten? Wir sind doch keine Kinder mehr.“
Zuerst argumentierte ich dagegen. Dann schwieg ich. Schließlich begann ich, selbst an meinen Bedürfnissen zu zweifeln. Bin ich verschwenderisch? Bin ich undankbar? Vielleicht hat er recht und ich bin einfach zu dumm für Finanzen?
So fängt es oft an: Du hinterfragst dich selbst, bevor du ihn hinterfragst. Was harmlos als „vorsichtig“ erscheint, entpuppt sich langsam als ein enges Korsett, in dem dir Schritt für Schritt die Luft zum Atmen genommen wird.
Phase 2: Die Erkenntnis – Geiz als Mangeldenken
Der Wendepunkt kam an einem Abend, der völlig unspektakulär hätte sein sollen. Wir waren bei Freunden eingeladen, es war ein lauer Sommerabend, Wein floss, es wurde Pizza bestellt.
Am Ende des Abends entstand dieses typische, warme Chaos beim Bezahlen. Unsere Freunde, großzügige Menschen, winkten ab: „Lass stecken, ihr zahlt das nächste Mal.“
Auf dem Heimweg war er eisig still. Als ich fragte, was los sei, explodierte er fast: „Ich hasse das. Dieses Gemauschel. Jeder zahlt seinen Teil, fertig. Jetzt stehen wir in ihrer Schuld.“
Da begriff ich: Für ihn war Großzügigkeit keine Freude. Sie war eine Bedrohung. Für ihn war ein Geschenk kein Ausdruck von Zuneigung, sondern eine bilanzielle Unsauberkeit.
Ein geiziger Mensch lebt in einem permanenten inneren Mangelzustand. Egal wie viel er besitzt – Geld, Zeit, Liebe – er glaubt zutiefst, dass nicht genug da ist. Und dass alles, was er gibt, unwiederbringlich verloren ist. Er versteht das Konzept des „Fließens“ nicht. Er versteht nur das Konzept des „Hortens“.
Und dieses Horten machte vor mir nicht halt.
1. Geiz mit Aufmerksamkeit und Zeit
Zeit ist Ressource. Und für einen geizigen Mann ist Zeitverschwendung eine Sünde. Einfach nur zusammen auf der Couch liegen, ohne dass der Fernseher läuft, ohne Ziel, einfach nur reden? Für ihn war das „ineffizient“.
Wenn ich von meinem Tag erzählte, von meinen Sorgen oder Träumen, spürte ich förmlich, wie seine innere Stoppuhr lief. Er hörte zu, ja. Aber er hörte nicht zu, um zu verstehen oder mitzufühlen.
Er hörte zu, um das „Problem“ schnellstmöglich zu lösen, damit er sich wieder „sinnvollen“ Dingen widmen konnte – seinen Aktienkursen, seiner Arbeit, seinen Hobbys.
Er „gönnte“ mir seine ungeteilte Aufmerksamkeit nicht. Wenn ich ihn bat, das Handy wegzulegen, weil ich ihn brauchte, seufzte er. Dieses Seufzen… es sagte mehr als tausend Worte. Es sagte: Du kostest mich etwas. Du kostest mich Zeit.
2. Geiz mit Lob, Anerkennung und Worten
Komplimente sind Geschenke. Sie kosten kein Geld, aber sie kosten Überwindung, Aufmerksamkeit und die Bereitschaft, den anderen groß zu machen. Ein geiziger Mann tut sich schwer damit, jemanden groß zu machen. Denn in seiner verdrehten Logik bedeutet das, dass er selbst kleiner wird.
An meinen Geburtstagen schenkte er mir „nützliche“ Dinge. Einen neuen Staubsauger. Ein Set Pfannen. Dinge, die „bleiben“. Blumen hasste er. „Die verrottenden doch nur, das ist Geldverbrennung.“ Dass Blumen mir Freude machten, dass sie meine Seele für ein paar Tage erhellten, zählte nicht. Denn Freude hat keinen ROI (Return on Investment).
Noch schlimmer war der Geiz mit emotionaler Bestätigung. Als ich eine Beförderung bekam, fragte er als Erstes: „Und? Wie viel mehr Netto bringt das?“ Kein „Ich bin stolz auf dich“.
Kein „Das hast du dir verdient“. Lob war für ihn eine Ressource, die man sparsam verbrauchen musste. Als würde mich zu viel Anerkennung verderben, mich zu selbstbewusst und damit schwerer kontrollierbar machen.
3. Geiz mit Zärtlichkeit und Nähe
Das ist der Punkt, über den am schwersten zu sprechen ist. Aber er ist der wichtigste. Körperliche Nähe, Sex, Zärtlichkeit – all das ist ein Austausch von Energie. Man gibt sich hin. Man öffnet sich. Wer beim Geld die Kontrolle nicht verlieren kann, kann es auch im Bett oft nicht.
Seine Zärtlichkeit war… rationiert. Sie fand statt, wenn er es brauchte. Es gab kaum spontane Umarmungen im Vorbeigehen, kein zufälliges Streicheln über den Rücken, während man nebeneinander sitzt. Berührungen hatten einen Zweck. Sie waren Mittel zum Zweck (Sex) oder sie unterblieben.
Es gab keine Verschwendung von Zärtlichkeit. Kein überbordendes Kuscheln. Jede Berührung schien kalkuliert. Und wenn ich mehr einforderte, kam der Satz, der mich am meisten verletzte: „Du brauchst immer so viel. Sei doch mal zufrieden.“
Zufrieden. Mit dem Minimum. Mit Brosamen. Genau wie beim Haushaltsgeld sollte ich auch emotional mit dem Existenzminimum auskommen.
Das Weltbild des „Buchhalters“
Irgendwann verstand ich, dass ich nicht gegen eine schlechte Angewohnheit kämpfte, sondern gegen ein komplettes Weltbild.
Ein geiziger Mensch betrachtet das Leben wie eine Bilanzbuchhaltung.
- Was ich gebe.
- Was ich bekomme.
In einer Liebesbeziehung funktioniert das aber nicht. Liebe ist keine Transaktion. Liebe ist, wenn man gibt, weil das Geben selbst Freude macht. Liebe ist Verschwendung – Verschwendung von Zeit, von Gefühlen, von Hingabe. Das schönste an der Liebe ist doch gerade, dass man nicht rechnet.
Aber er rechnete immer. „Ich habe gestern gekocht, heute bist du dran.“ „Ich habe dich massiert, jetzt musst du aber auch…“ „Wir waren bei deinen Eltern, jetzt müssen wir aber auch…“
Es geht hier nicht um Fairness. Es geht um das penible Aufrechnen, das jede Romantik im Keim erstickt. Es ist der Tod der Spontaneität. Man fühlt sich nicht mehr als Partnerin, sondern als Geschäftspartnerin in einem Vertrag, dessen Kleingedrucktes man ständig verletzt.
Die Folgen: Die emotionale Austrocknung
Was macht das mit dir? Was hat es mit mir gemacht?
Lange Zeit dachte ich, wenn wir mehr Geld hätten, wäre er entspannter. Wenn ich noch sparsamer wäre, würde er liebevoller. Aber es ist ein Fass ohne Boden.
Das Schlimmste war meine eigene Veränderung. Ich fing an, „klein“ zu denken. Ich kaufte mir heimlich Dinge – nicht teure Sachen, sondern Kleinigkeiten wie ein neues Buch oder eine Duftkerze – und versteckte sie, um der Diskussion aus dem Weg zu gehen.
Ich begann, mich für meine Bedürfnisse zu schämen. Ich richtete mich im Mangel ein. Ich gewöhnte mich daran, dass „gut genug“ das höchste der Gefühle war.
Ich verhungerte am gedeckten Tisch. Er hatte Geld, er hatte Zeit, er war gesund. Aber er konnte nichts davon teilen. Ich lebte neben einem Drachen, der auf seinem Goldschatz saß und Feuer spuckte, sobald man sich näherte – nur dass der Goldschatz hier auch seine Gefühle waren.
Der Ausbruch
Ich ging nicht, weil er mir eine Szene machte, weil ich mir ein Eis für 3 Euro gekauft hatte (obwohl das passierte). Ich ging, weil ich erkannte, dass ich in zehn Jahren innerlich tot sein würde, wenn ich bliebe.
Ich stellte mir vor, wie es wäre, mit ihm Kinder zu haben. Würde er die Windeln abzählen? Würde er berechnen, ob sich der Klavierunterricht „rentiert“? Würde er den Kindern sagen, sie sollen nicht so laut lachen, weil das Energie kostet? Die Vorstellung schnürte mir die Kehle zu.
Als ich ging, warf er mir vor, ich sei materiell, ich wolle nur jemanden, der mich aushält. Es war sein letzter Versuch, sein Weltbild zu schützen. Wenn ich die „Geldgierige“ bin, kann er der „Vernünftige“ bleiben.
Das Leben danach: Was wirkliche Großzügigkeit ist
Heute lebe ich mit einem Mann zusammen, der nicht reich ist. Aber er ist ein König der Großzügigkeit.
Er bringt mir meinen Lieblingssnack mit, einfach so, weil er ihn gesehen hat. Er hört mir stundenlang zu, wenn ich Probleme habe, ohne auf die Uhr zu sehen. Er sagt mir täglich, dass er mich liebt, ohne Angst zu haben, sich damit angreifbar zu machen.
Ich habe gelernt: Ein großzügiger Mensch ist nicht der, der immer die Rechnung bezahlt. Ein großzügiger Mensch ist der, der dir das Gefühl gibt, dass du es wert bist. Dass du die Zeit wert bist, die Worte wert bist, die Mühe wert bist.
Großzügigkeit ist eine Haltung des Herzens. Sie entspringt dem Glauben an Fülle, dem Vertrauen, dass Liebe mehr wird, wenn man sie verschwendet.
Ein Rat an dich
Wenn du dich in diesen Zeilen wiedererkennst, dann bitte ich dich: Hör auf zu hoffen, dass es besser wird, wenn er die nächste Gehaltserhöhung bekommt. Geiz sitzt nicht auf dem Bankkonto, er sitzt in der Seele.
Achte auf die kleinen Zeichen:
- Gönnt er anderen etwas? Freut er sich ehrlich über den Erfolg anderer, oder sucht er das Haar in der Suppe?
- Wie geht er mit Fehlern um? Ist er nachsichtig (großzügig im Verzeihen) oder führt er eine Liste deiner Verfehlungen (geizig mit Gnade)?
- Fühlst du dich beschenkt? Nicht mit Dingen, sondern mit seiner Präsenz?
Ein geiziger Mann wird dich verarmen lassen. Nicht finanziell – du wirst vielleicht sogar ein volles Konto haben. Aber du wirst emotional verarmen. Du wirst verlernen, was es heißt, verschwenderisch zu lachen, bedingungslos zu lieben und ohne Reue zu genießen.
Du verdienst jemanden, der dich ansieht und denkt: „Für sie ist mir nichts zu teuer – keine Zeit, keine Nerven, keine Liebe.“ Denn das ist der einzig wahre Reichtum.











