Es gibt Momente im Leben einer Frau, da spürt sie, dass etwas in ihr nicht mitwächst.
Dass sie älter wird, vielleicht erfolgreicher, stärker, klarer nach außen – und doch bleibt da etwas Unberührtes, Unversorgtes, ein Teil in ihr, der sich wie ein kleines Mädchen fühlt: verletzlich, still, bedürftig. Dieser Teil ist nicht schwach. Er ist der Ursprung.
Und solange dieses innere Mädchen in ihr nach Liebe, Schutz oder Anerkennung ruft und keine Antwort bekommt, wird die erwachsene Frau in ihr nie ganz ankommen können.
Wir leben in einer Welt, die die Funktion betont. Wir sollen funktionieren, leisten, durchhalten, weitermachen. Schon früh lernen viele Mädchen, sich anzupassen. Nett zu sein. Stark zu sein. Nicht zu viel Raum einzunehmen. Nicht zu bedürftig zu wirken.
Viele lernen: Wenn ich lächle, werde ich geliebt. Wenn ich still bin, werde ich geduldet. Wenn ich stark bin, werde ich respektiert. Aber kaum eine lernt: Wenn ich mich zeige, wie ich bin, werde ich gehalten.
Dieses Muster nehmen viele Frauen mit ins Erwachsenenleben. Sie arbeiten. Sie lieben. Sie kämpfen. Sie tragen Verantwortung.
Doch innerlich bleibt oft ein Teil, der nie gesehen wurde. Und dieser Teil spricht mit leiser Stimme: “Was ist mit mir?” Die Folge ist nicht unbedingt ein lautes Drama. Oft zeigt es sich subtil: in ständigem Zweifel. In dem Gefühl, nie genug zu sein.
In Beziehungsangst. In Perfektionismus. In Erschöpfung. In dem ständigen Versuch, es endlich “richtig” zu machen. Es ist das kleine Mädchen in uns, das noch immer glaubt, es müsse etwas beweisen, um Liebe wert zu sein.
Die Heilung beginnt nicht mit einem Plan. Sie beginnt mit einem Innehalten. Mit der Entscheidung, sich selbst zuzuhören. Mit dem Mut, dieser kleinen inneren Stimme zu glauben, auch wenn sie wehtut.
Die erwachsene Frau in dir zeigt sich nicht, wenn du endlich perfekt bist. Sie zeigt sich, wenn du aufhörst, gegen dich selbst zu kämpfen. Wenn du dich deinem inneren Kind zuwendest. Wenn du siehst, wie tapfer sie war. Wie viel sie getragen hat. Wie oft sie allein war mit Dingen, die kein Kind alleine tragen sollte.
Vielleicht erinnerst du dich an ein Gefühl aus deiner Kindheit: Die Angst, falsch zu sein. Die Sehnsucht, endlich verstanden zu werden.
Der Wunsch, laut sein zu dürfen, ohne bestraft zu werden. Oder einfach nur das Bedürfnis, mal gehalten zu werden, ohne etwas leisten zu müssen. Dieses Bedürfnis ist nicht kleinlich. Es ist menschlich. Und es bleibt in uns, solange wir es übergehen. Manche nennen es Trauma.
Andere nennen es Prägung. Aber was immer es war: Es braucht heute deine Zuwendung. Nicht, weil du zerbrochen bist. Sondern weil du ganz sein willst.
Wenn du beginnst, dich deinem inneren Kind zuzuwenden, wird nicht alles sofort leicht. Es kann sein, dass du erst spürst, wie tief der Mangel war. Wie viele Jahre du durchgehalten hast. Wie oft du dich selbst übergangen hast, um anderen zu gefallen.
Es kann sein, dass Trauer aufkommt. Oder Wut. Oder beides. Aber genau in diesem ehrlichen Fühlen liegt die Kraft. Denn die Frau, die du werden willst, ist kein Ziel – sie ist der Raum, den du dir selbst schenkst.
Heilung bedeutet nicht, dass das kleine Mädchen in dir verschwindet. Es bedeutet, dass du ihr heute gibst, was sie damals gebraucht hätte: Sicherheit, Verständnis, Mitgefühl. Dass du ihre Träume nicht länger verlachst.
Dass du ihre Ängste nicht mehr abtust. Dass du nicht mehr über sie hinweggehst, sondern sie liebevoll an die Hand nimmst. Und damit auch dich selbst.
Wenn du diesen Weg gehst, wirst du merken: Du brauchst nicht mehr so viel Bestätigung im Außen. Du wirst klarer in deinen Beziehungen. Du weißt plötzlich, wo deine Grenzen sind. Du kannst Nein sagen, ohne Schuld.
Du kannst Ja sagen, ohne dich zu verlieren. Denn je mehr du dich um dein inneres Kind kümmerst, desto weniger muss es in dir unbemerkt die Kontrolle übernehmen.
Die erwachsene Frau in dir zeigt sich nicht in perfekten Outfits oder makellosen Lebensläufen. Sie zeigt sich in der Art, wie du mit dir selbst sprichst, wenn du fällst. In der Geduld, die du mit deinen Prozessen hast. In der Liebe, die du nicht mehr erbettelst, sondern ausstrahlst. In der Klarheit, mit der du dich wählst, auch wenn andere dich nicht sehen wollen.
Vielleicht hast du viele Jahre damit verbracht, dich zu suchen. In Beziehungen. In Leistung. In Anpassung. Vielleicht hast du dich gefragt, warum du trotz Erfolg nicht ankommst. Oder warum du in der Liebe immer wieder auf denselben Schmerz fällst.
Die Antwort liegt nicht im Außen. Sie liegt bei ihr. Bei dem kleinen Mädchen in dir, das nie gehen wollte. Sie hat nur gewartet, dass du endlich hinsiehst.
Und wenn du beginnst, sie wirklich zu sehen, beginnt etwas Neues. Kein Drama. Kein großer Knall. Aber eine stille, kraftvolle Bewegung in dir: Du wirst weich. Und gleichzeitig stark.
Du wirst versöhnt mit dem, was war. Und bereit für das, was kommt. Du wirst zu der Frau, die du als Kind gebraucht hättest. Und damit zur Frau, die heute mit beiden Beinen im Leben steht – ohne sich selbst zu verlieren.
Heilung ist kein Ziel. Sie ist ein Weg. Und er beginnt mit einem einfachen, stillen Satz: Ich bin da. Für mich.