Er sah genauso aus wie damals. Seine Frisur war die gleiche, die Narbe auf seinem Gesicht war immer noch da und er hatte immer noch das gleiche Getränk in seiner Hand. Nichts an seinem Aussehen hatte sich verändert und deshalb dachte sie, dass sein Verhalten auch unverändert geblieben ist.
Sie vermutete, dass er immer noch das selbstverliebte, undankbare Stück Scheiße ist, das er auch war, als sie eine Beziehung geführt haben.
Sie ging davon aus, dass er nichts aus ihrer Beziehung gelernt hat, dass er immer noch denkt, sie sollte ihm dafür danken, sie verlassen zu haben, dass er ihr damit einen Gefallen gemacht hat und dass das alles nur für ihr Wohl war. Und jetzt merkt sie, dass obwohl sie im Moment der Trennung das Gefühl hatte, dass ihre Welt zusammenbricht, sein Verschwinden, die beste Sache war, die ihr passieren konnte.
Als sie mit ihm zusammen war, fühlte sie sich an seiner Seite so sicher, dass sie die Warnzeichen überhaupt nicht gemerkt hat. Sie ignorierte die Tatsache, dass er mehr sich als sie liebte und dass seine Worte nicht zu seinen Taten passten. Denn damals genügten ihr nur Worte.
Sie brauchte es nur zu hören, wieviel sie ihm bedeutete und es war ihr egal, ob er ihr das zeigen wollte oder nicht. Denn mit jemandem zusammen zu sein, der dir nur sagt, dass er dich liebt, war für sie besser als mit niemandem zusammen zu sein.
Aber jetzt hat sie eine vollkommen andere Meinung. Jetzt ist sie glücklich mit sich selbst, mit ihrem Leben und sie denkt nicht daran, dass sie in einer Beziehung sein muss, um glücklich zu sein. Sie erkannte, dass sie sich nicht nach einer Beziehung sehnen sollte, nur weil sie einsam ist, sondern weil sie mit dieser Person den Rest ihres Lebens verbringen möchte. Sie hat begriffen, dass sie nur die Version von ihm liebte, die sie in ihrem Kopf hatte.
Und ihr Glück führte sie dazu, sich nicht mehr großartig Mühe zu geben. Aber nicht auf die Art und Weise, dass sie die Liebe aufgibt, sondern so, dass sie das Leben genießen will und sie jemanden findet, der mit ihr auf der Suche nach sich selbst ist. Und sie hat jemanden gefunden.
Es war nicht die Liebe auf den ersten Blick. Sie fühlte keinen magischen Funken, als sie ihn zum ersten Mal begrüßte und ihm ihren Namen sagte, sondern es war ein normales Kennenlernen, das sich in etwas magisches verwandelt hat. Sie liebte es, ihn am Lagerfeuer zu küssen, ihn jeden Tag sehen zu dürfen und ihm jede Nacht seine Haare zu streicheln. Sie liebte seine Berührungen und die Art, wie er ihr Haar hinter das Ohr steckte. Sie liebte es, wie sich sein Ohrring kalt an ihrer Brust anfühlte, als er ihren Hals küsste.
Sie liebte ihre gemeinsame Nächte, aber sie hätte nie gedacht, dass es sich in etwas mehr verwandeln würde. Sie hätte nie gedacht, dass dieser Mann der erste sein würde, der ihr die magischen drei Worte sagen wird und dass sie ihm die Liebe erwidern würde.
Sie ist jetzt glücklich.
Glücklich mit sich selbst, und mit den Menschen, die sie in ihr Leben aufgenommen hat. Sie ist in den Mann verliebt, der ihr die wahre Liebe gezeigt hat und ihr nicht nur gesagt hat, dass er sie liebt. Und da sie diese Liebe mit ihm erlebt hat, wurde ihr klar, dass diese Person, die ihr gegenüber saß, nicht mehr wichtig ist. Obwohl sie sich wünschte, ihn nie kennengelernt zu haben, war sie sich dessen bewusst, dass er sie zu ihrem jetzigen Glück führte.
Sie hat ihn seit der Trennung nicht mehr gesehen. Als sie sich dazu entschlossen haben, getrennte Wege zu gehen fragte er, ob sie noch Freunde bleiben könnten, doch sie sagte nein. Und als sie in dieser Bar stand, fühlte sie sich überhaupt nicht wohl.
Der Mann aus ihrer Vergangenheit, den sie glaubte zu lieben, befand sich im selben Raum wie der Mann, den sie jetzt liebt und sie dachte nur darüber nach, was sie zu demjenigen sagen wird, der sie verletzte und verließ.
Sie war wütend, weil er ausgerechnet jetzt, als sie ihr Glück mit einem anderen Mann gefunden hat, wieder in ihr Leben zurückgekommen ist. Sie hasste ihn, weil sie die Hoffnung hatte, ihn nie wieder in ihrem Leben sehen zu müssen.
Als er sie verließ, wiederholte sie immer wieder die Sachen, die sie ihm sagen wollte, wenn sie ihn jemals wieder treffen würde. Sie war voller Wut, Trauer und Schmerz. Sie wusste gar nicht, dass sie solche Gefühle in sich tragen kann, aber sie wusste, dass sie sich besser fühlen würde, wenn sie all diesen Zorn an ihm auslassen könnte. Aber sie hat ihn nie getroffen.
Sie hatte nie die Chance, ihm ihre Emotionen zu zeigen und zu sehen, wie er reagieren würde. Sie hat ihn weder angerufen noch ihm Nachrichten geschrieben, sondern ihn einfach nur vergessen. Doch sie hat sehnsüchtig auf den Tag gewartet, an dem sie ihn wieder begegnen wird und ihm die Dinge sagen kann, die sie fühlt. Aber es ist nie passiert. Bis jetzt.
Sie hatte das Gefühl, als würde ihr das Universum etwas sagen wollen. Ihr Ex-Freund war in dieser Bar mit ihr und dem Mann, den sie jetzt liebte, weil das Universum versuchte, ihr den Unterschied zwischen den Männern zu zeigen. Es versuchte ihr zu sagen, dass sie über das schreckliche Verhalten ihres Ex-Freundes nachdenken sollte und warum es so falsch war, ihn mit dem Mann, der sie jetzt richtig behandelt, zu vergleichen.
In diesem Moment wollte sie ihrem Ex all ihre Gefühle äußern, aber sie wollte nicht den Mann, den sie jetzt liebt, verletzen. Sie wollte nicht, dass er denkt, dass sie immer noch Gefühle für ihren Ex-Freund hat. Doch anderseits wusste sie, dass er ihr vertrauen kann und entschloss sich mit ihrem Ex zu reden.
Sie näherte sich ihrem Ex, der gegenüber der Bar stand und auf einen weiteren Whiskey wartete. Der Gang fühlte sich unendlich lang an und als sie schließlich hinter ihm stand, trank sie ihren restliches Wein aus, nur um ein wenig Mut zu bekommen. Sie klopfte ihm auf die Schulter und erwartete, dass er überrascht sein würde, wenn er sie sieht.
Als er sie in die Augen sah, verspürte sie einen Hauch von Bedauern. Sie bedauerte, dass sie zu ihm ging, dass sie ihn jemals kennengelernt hatte, dass sie in einer Beziehung waren und dass sie einen Teil ihres Lebens mit ihm teilte. Und bevor er überhaupt schaffte Hallo zu sagen, sagte sie ihm alles, was ihr auf dem Herzen lag.
Alles was sie sagte, hörte sich weder geprobt noch geplant an, denn all ihre Worte klangen anders, als sie es sich je vorgestellt hatte. Sie sprach voller Selbstbewusstsein, mit der Gewissheit, dass sie sich an dem Ort befand, an den sie gehörte und dass ihr Leben endlich einen Sinn hatte.
Sie hat ihren Gefühlen nicht freien Lauf gelassen, weil sie über ihn hinwegkommen wollte, sondern weil sie einen Teil von sich selbst loslassen musste, den sie nicht mochte. Diesen Schritt, den sie wagte hat sie für sich und nicht für ihn gemacht.
Nachdem sie mit ihrer Rede fertig war, wollte sie überhaupt nicht auf seine Antwort warten. Sondern sie stellte ihr leeres Glas neben ihn, nahm sein Getränk, drehte sich um und ging. Sie ging zu ihrem Freund, der ihr zeigte was wahre Liebe bedeutet. Und als sie endlich wieder in seinen Armen war, lächelte er sie an und fragte, wie sie sich fühlte. Endlich konnte sie sagen, dass sie glücklich sei.
Nach all dem was sie ihrem Ex gesagt hat, wurde ihr klar, dass sie gar nichts hätte sagen müssen. Sie hätte ihm nicht den Gefallen tun müssen, dass er denkt, dass sie sich immer noch für ihn interessiert und sie brauchte nicht ihre Energie an jemanden verschwenden, der sie nicht verdient.
Sie wusste, dass er immer noch dieselbe Person war, die sie verlassen hatte, dasselbe Arschloch, das sie verletzte, und dass, egal welche Emotionen, Worte oder Gedanken sie auf ihn losgelassen hatte, ihr nur eine vorübergehende Freilassung geben würde.
Doch wie dem auch sei, sie nahm die Hand ihres Freundes und sagte: “Lass uns von hier verschwinden”. Sie ging an ihrem Ex vorbei, sagte kein Wort, berührte ihn nicht und sah ihm nicht in die Augen. Sie ging einfach an ihm vorbei. Und sie ging aus seinem Leben, genauso wie er aus ihrem. Von dem Moment an, fühlte sie sich frei und glücklich.