Warte auf denjenigen, der sich in deine Narben verliebt, nicht dein Lächeln

Du könntest inzwischen wahrscheinlich jede beliebige Großstadtgasse entlanglaufen, dir eine tote Taube suchen und sie mein Herz nennen.

Du könntest sie an den Schwanzfedern hochheben und in die Luft werfen und dann hart mit einem Baseballschläger zuschlagen.

Und was auch immer für ein Taubenblutbrei dabei herauskommt, könntest du hingehen und es mein Herz nennen.

Ich bin arg mitgenommen, hart getroffen von den Jahren. Ich bin von all den Abschieden vergiftet, die unter meiner Brücke hindurchgeflossen sind.

Ich wurde gegen die schmutzigen Mauern sterbender Romantik geworfen und hart von den kurzen, blitzschnellen Messerstichen von Herzbruch und Schmerz getroffen. 

Und doch, trotz alledem, trotz meiner Jahre in den Kerkern der Liebe (oder vielleicht sogar wegen ihnen), stehe ich immer noch, Leute. Ich kenne also den Wert einer Narbe oder drei.

Nichts kann ein oberflächlich hübsches Gesicht übertreffen – und das ist das Problem.

Durchtrainierte Körper, straffe Hintern, Yoga-Arme, Sixpacks, die aussehen, als ob ein Außerirdischer gottverdammte Eisenbahnlinien auf der Rückseite deines Bauches gebaut hätte – das sind die Dinge, mit denen so viele von uns Bauern im Haus der Liebe im letzten Jahrzehnt oder so zu tun hatten.

Schönheit ist nicht einmal mehr schön. Sie ist schmutziger Schweinkram.

Früher war es einmal so, dass uns die Augen eines Menschen zum Weinen bringen konnten. Wir sahen das unvollkommene Gesicht eines bestimmten Fremden im richtigen Licht, in irgendeiner Dämmerung oder sogar einem dämmrigen Nachmittagsglühen, und wir verliebten uns Hals über Kopf.

Sich zu verlieben war in vergangenen Jahren einfacher. Menschen waren nicht so kleinlich; das Physische lenkte uns nicht so auf den falschen Kurs.

Aber was weiß ich schon?

Es ist durchaus möglich, dass ich hier bestenfalls idealisierte Vorstellungen von mir gebe. Vielleicht sehne ich mich nach einer Zeit, in der das Verlieben für alle einfacher war. Vielleicht träume ich von einem Tag, an dem einfach “gut genug” zu sein besser war, als in den Augen eines potenziellen Partners perfekt zu sein.

Und vielleicht ist es auch nie so gewesen. Vielleicht ist die Liebe schon immer kompliziert gewesen, und vielleicht war das Suchen nach Mr. oder Mrs. Right schon immer nur ein wilder Schuss ins Blaue, durchzogen von Bedürfnis und persönlichen Geschmack.

Vielleicht bin ich (schluck) altmodisch? Gott sei meiner Seele gnädig. Ich kann nicht mehr dagegen ankämpfen. Es ist, wie es ist.

Ich habe die Bauchmuskeln gesehen. Ich habe in den Spiegel geguckt und fast geweint. Und während alldem habe ich mich gefragt, immer und immer wieder, ob ich überhaupt gut genug für irgendjemanden bin.

Und dann habe ich mir selbst ins Gesicht geschlagen und bin verdammt noch mal aufgewacht.

Narben sind besser als ein Lächeln.

Wir alle sollten hin und wieder innehalten, um uns daran zu erinnern. Und wenn ich von Narben rede, rede ich von inneren Schäden. Ich rede von Herzschmerz und Traurigkeit und Enttäuschung und Verlust. 

Mein Leben ist nicht einfach gewesen. Klar, verglichen mit dem Leben vieler anderer Menschen war es das, aber wenn ich auf mein bisherigen mehr als vierzig Jahre zurücksehe, kann ich wahllos hineingreifen und immer drei oder vier Jahre am Stück herausziehen und dir lange Phasen zeigen, in denen es wirklich schwer war.

Ich denke mal, dass die meisten Menschen das können. Die meisten von uns könnten unsere eigenen Geschichten tiefen menschlichen Leidens in irgendeiner Form darlegen, ohne groß darüber nachdenken zu müssen.

Mit dem Älterwerden akzeptiere ich langsam, was an einem anderen Menschen wirklich attraktiv ist. Ich will nicht sagen, dass ein toller Körper nicht aufregend ist – das ist er doch immer, jetzt echt mal. Aber es muss doch mehr als das geben, wenn wir wahre Liebe wollen, oder?

Wie ich die Sache sehe, läuft uns die Zeit davon, lange bevor es uns klar wird.

So viele von uns – egal, ob wir in einer Beziehung sind, die wir am Ende als selbstverständlich ansehen oder ob wir alleine unterwegs sind und auf den Richtigen warten – respektieren den Wert von Narben nicht. Wir rümpfen die Nase über erfahrene Seelen und kampferprobte Geister, weil wir wissen, dass sie schwer zu verstehen sein können.

Menschen mit Narben haben Schmerzen hinter sich und es wäre eine verdammte Lüge, wenn ich die Tatsache verschweigen würde, dass es manchmal unmöglich ist, mit ihnen eine Verbindung einzugehen. Ich sollte es wohl wissen; ich bin auf alle möglichen Arten verkorkst.

Aber unter all dem glaube ich immer noch daran, dass ich ein legendäres Herz bin. Ich muss das glauben. Und in dieser Hinsicht muss ich glauben, dass es auf seine Milliarden unvollkommene Arten perfekt ist, wenn ich in jemanden verliebt bin, der seine eigenen Narben und Dämonen mitbringt.

Vielleicht habe ich auch nur eine masochistische Ader, was? Oder vielleicht bin ich im Herzen einfach Romantiker. Oder vielleicht, ganz vielleicht, ist es beides das Gleiche und irgendwie haben wir das alle irgendwie über die Liebe vergessen. 

Und was jetzt? Sollst du in die Stadt losziehen und dir einen Menschen mit “Narben” suchen? Eher nicht.

Das würde wahrscheinlich niemals klappen; du würdest möglicherweise in Stücke zerhackt und in den Sumpf draußen am Flughafen geworfen gefunden werden.

Wenn du dich aber aus all den üblichen Gründen zu jemandem hingezogen fühlst – von seinem Lächeln angezogen, von seinem Witz verführt, seinem Lachen, seiner Güte, der Art, wie er dich Sonntagsmorgens im Bett ansieht – versuche, offen zu bleiben.

Es könnte mehr in diesem hübschen kleinen Kopf stecken, als du vielleicht erwartet hast.

Vielleicht verliebst du dich langsam, aber sicher in einen Menschen und es liegt daran, wo er herkommt oder was er durchgemacht hat, und nicht an seinem Aussehen, Bankkonto, Universitätsabschluss, seiner Berufsbezeichnung oder sonst etwas. 

Ich bin niemand. Ich bin bestenfalls ein Narr und kein Guru hat je die Dinge getan, die ich tue. Dennoch glaube ich ehrlich an die wahre Liebe, ob das nun gut oder schlecht ist.

Und ich vermute, dass es eine echte und besondere Art der Liebe für Menschen gibt, die Menschen lieben, die etwas schwer zu lieben sind.

Es mag verrückt klingen, aber ich glaube, das Beste, was uns je passieren kann, ist uns in jemanden mit emotionalen Schäden zu verlieben oder in jemanden, dem große Teile seines durchgemachten Lebens noch nachhängen, und dabeizubleiben, auch wenn es oft so pervers schwierig sein kann.

Um ehrlich zu sein: Wenn “Narben” einander finden und durchhalten, schätze ich, dass sie mit unter den glücklichsten Menschen der Welt sind.