Warum kehren wir zu Menschen zurück, die uns nur verletzen?

Ich habe etwas Dummes getan. Etwas, worauf ich nicht besonders stolz bin und das ich höchstwahrscheinlich bereuen werde.

Ich habe mit meinem Ex geschlafen. Aber das ist nicht einmal das Schlimmste.

Ich würde es wieder tun. Um genau zu sein, habe ich es schon.

Weißt du, ich habe mich immer für jemanden gehalten, der anderen gerne einen Vertrauensvorschuss gibt. Das Schlechte auszuschließen und zu versuchen, mehr von den guten Eigenschaften zu sehen, die der andere besitzen könnte.

An einem Punkt in meinem Leben hat mir dieser Mensch einfach alles bedeutet. Ich habe diesem Menschen so viel gegeben, dass ich wirklich dachte, er würde für immer daran festhalten.

Aber dann tut er etwas, von dem du nie willst, dass es passiert – er beendet die Sache. Er bricht sein Versprechen, bricht dein Herz und vor allem durchbricht er deine “Fantasievorstellung”.

Jeder hat sie; ich bin die Erste, die sie leugnet, aber tief drinnen habe ich sie auch. Diesen Moment, in dem du jemandem zum ersten Mal begegnest und auf einmal siehst du eure gemeinsame Zukunft mit hundert Stundenkilometern direkt vor deinen Augen ablaufen.

Alles ist in Stein gemeißelt, eine Fantasievorstellung, an die kein Liebeslied auch nur herankommen kann.

Was tust du also, wenn der Mensch, von dem du dachtest, dass er in diese Form passen könnte, es am Ende ruiniert? Wie kannst du zulassen, dich wieder ganz zu fühlen, wenn er noch einige der fehlenden Teile hat, die du ihm erlaubst zu behalten und festzuhalten?

Warum lassen wir zu, dass wir das tun? Ich werde dir sagen, warum. Weil wir irgendwo tief im Inneren denken, dass er sich ändern wird. Dass wir vergessen werden, was er getan hat, es im Kopf ganz nach hinten schieben, dahin, wo wir die schlechten Erinnerungen verstauen,  die irgendwann Staub ansammeln werden, und ihm eine neue Chance geben.

Aber weißt du, was passiert, wenn wir ihm noch eine Chance geben? Er verletzt uns wieder von Neuem. Und trotzdem kehren wir immer noch bereitwillig zu ihm zurück. Manchmal habe ich das Gefühl, dass mir die Jagd Spaß macht.

Wie schnell ich auf etwas Schlechtes zulaufen kann, obwohl ich das Ergebnis schon kenne. Zu denken, dass er, wenn ich meine Hand ausstrecke, sie vielleicht ergreifen wird. Das tut er nie, stattdessen lässt er sie durch seine Fingerspitzen gleiten.

Es ist ein Teufelskreis, der kein Ende zu haben scheint. Du versuchst, diesen Menschen zu vergessen, obwohl du ständig seine sozialen Medien durchkämmst und ihn im Gespräch erwähnst. Und eines Tages bist du mit deinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt und plötzlich schickt er dir aus heiterem Himmel eine Nachricht.

Jetzt will der Mensch, der du jetzt bist, nicht mehr antworten. Er soll wissen, wie es sich anfühlt, wenn die Nachricht gelesen wird und unbeantwortet bleibt. Aber dein altes Ich, das früher den ganzen Tag am Telefon auf einen Antworttext von ihm gewartet hat, gibt nach und antwortet.

Das ruft all die guten Zeiten in Erinnerung, die ihr zusammen hattet und du vergisst dabei fast, was überhaupt der Grund für eure Trennung war. Ihr flirtet ein wenig, es gibt hier und da ein bisschen Dirty Talk. Bis er dich fragt, ob du vorbeikommen willst.

Bevor du dich versiehst, bist du wieder in seinem Schlafzimmer, in dem du fast jede Nacht auf deiner angestammten Seite nahe der Wand geschlafen hast, während die Hitze seiner Haut auf dich ausstrahlte. Nur schläfst du dieses Mal nicht in diesem Bett.

Du bist wegen einer Sache und nur deswegen hier, oder zumindest erzählst du dir das.

Wir spulen vor und du gehst die Treppe von seiner Wohnung hinunter und zurück zu deinem Auto, in dem du nur für die eine Sache hierhin gefahren bist, die du wolltest.

Warum also weinst du auf der Fahrt zurück nach Hause? Warum wünschst du dir, dass er dir angeboten hätte, zu bleiben?

Warum hast du dich glauben lassen, dass es diesmal anders sein würde und ihr die Nacht damit verbringen würdet, über eure Insider-Witze zu reden und euch die Serie anzusehen, mit der er dich angefixt hat und die du immer noch alleine in deinem Bett anschaust? 

Weil du immer noch etwas für ihn empfindest. Du willst es vielleicht nicht zugeben, ich will es ganz bestimmt nicht, aber du tust es. Irgendwo tief im Inneren hat ein Teil von dir Angst davor, ihn gehen zu lassen – oder zumindest deine Vorstellung von ihm loszulassen.

Glaub mir, ich habe es versucht. Ich habe es so sehr versucht und mir immer wieder den gleichen seelenzerstörenden Satz in Erinnerung gerufen, den er an dem Tag gesagt hat, als er mit mir Schluss gemacht hat. Aber noch so viel Alkohol oder beruhigende Ratschläge von anderen können mich nicht davon abhalten.

Es ist wie auf ein Riesenrad zu steigen. Du weißt bereits, was passieren wird und dass du Angst bekommen wirst, wenn du ganz oben bist und es anhält, um die Leute aussteigen zu lassen. Aber du schaffst es trotzdem wieder bis nach unten, nur um weiter herumzufahren.

Die Frage, die du dir aber stellen musst, ist diese: Wann steigst du aus und nicht wieder ein?

Wann wirst du dir wahrheitsgemäß sagen können, dass du besser dran bist, wenn er Teil deiner Vergangenheit bleibt, statt sich in deine Gegenwart zurück zu schleichen, nur um dir eine Zukunft nicht nur mit ihm, sondern auch jemandem anderen zu verwehren?

Wann wirst du endlich auf deine Freunde hören, die dir in dem Augenblick, in dem sie ihn kennenlernten, sagten, dass er nichts Gutes verheißt?

Wann wirst du auf deine Mutter hören, die dir deine Tränen abgewischt hat, als er dir das erste Mal wehgetan hat, nur um dann zusehen zu müssen, wie du deine Lektion nicht gelernt hast? Wann wird es genug sein?

Ich bin es leid, mich jemandem hinzugeben, der nur je meinen Körper wollen wird und nicht auch mein Herz.

Ich habe es satt, mir wieder zu erlauben, zu jemandem zurückzugehen, weil ich nicht vergessen will, wie er meinen Namen sagt oder die Fähigkeit verlieren will, sein Gesicht in einer Menschenmenge finden zu können.

Ich habe es satt, andere Beziehungen zu sabotieren, weil sie an diesen Menschen nicht herankamen, obwohl ich ihnen nie eine faire Chance gegeben habe.

Aber vor allem habe ich es so unheimlich satt, an meinem Telefon auf seine Antwort zu warten. Darauf, dass es ihm passt, mich zu sehen, als wäre ich etwas, das er auf seine To-Do-Liste setzen kann, um sich dann später darum zu kümmern.

Ich möchte der Mensch sein, den er anruft, nur um zu sagen, dass er meine Stimme hören wollte. Ich möchte der Mensch sein, mit dem er vor seinen Freunden angibt, und nicht der, den er in seinem Schlafzimmer versteckt oder im Telefon abspeichert.

Ich möchte der Mensch sein, neben dem er sein Herz aufbewahrt, weil sie zusammengehören, keine Frage. Ich möchte der Mensch sein, den er anschaut und seine Fantasievorstellung läuft direkt vor seinen Augen ab, und dieses Mal sieht er, wie sie endet, und du kommst darin vor.

Ich weiß nicht, wann mir das passieren wird. Ein zynischer Teil von mir denkt, dass es nie passieren wird. Und ich werde weiterhin mein Herz dem gleichen Menschen schenken, nur damit die Stücke an so vielen verschiedenen Orten verstreut sind, dass ich sie nie alle wiederfinden werde.

Aber dann gibt es einen kleinen Teil von mir, der immer noch auf das Beste hofft. Dass da draußen jemand darauf wartet, mir zu helfen, dieses Kapitel für immer abzuschließen. Das würde ich gerne glauben.

Vielleicht steige ich eines Tages von diesem Riesenrad ab.