Ein offener Brief an meinen toxischen Ex-Freund: Endlich habe ich meine Stimme zurück!

Hallo lieber X,

Ich bin zurück und habe endlich meine Stimme wieder. Ich rede nicht von der Kinderstimme, in die du dich verliebt hast, als du 15 Jahre alt warst.

Sondern über eine Stimme, die du noch nicht gehört hast. Sie hat sich jahrelang entwickelt und ist sehr reich geworden. Sie ist scharf wie eine Stahlklinge, summt im Nachtwind, aber du kannst sie nicht einfangen.

Ich denke gerne daran, dass ein Teil dieser Stimme aus Jahrzehnten und Jahrhunderten von Frauenstimmen stammt, die sich von Anfang an im Staub gesammelt haben.

Denn wenn ich meinen Mund öffne, hörst du nicht nur mich, sondern du hörst die Geschichten von uns allen.

Aber lasse mir etwas Zeit, um mich wieder vorzustellen. Ich weiß, meine Stimme ist stark und kann am Anfang verblüffend sein. Ehrlich gesagt, gewöhne ich mich auch daran. Als sie zum ersten Mal entstand, musste ich in den Wald gehen und schreien und schreien. Sie war einfach so stark…

Und sie wird immer noch stärker…

Denk nach.

Wir waren sieben Jahre zusammen. In Hundejahren ist das fast ein Jahr. Doch Hunde leben ein mächtiges und treues Leben. Als wir zusammen waren, fühlte ich mich nicht mächtig, denn du warst mir nicht treu.

Denke an die sonnendurchfluteten Nachmittage.

Wir trafen uns in schicken Hotels und tranken Wein aus der Flasche. Du gabst gerne Geld auf diese Weise aus und hörtest mir gerne in den Bettlaken zu. Wir haben immer das teuerste Essen gegessen.

Denke an die Zeit als wir nicht zusammen waren. Ich war so oft mit dem Zug unterwegs, nur damit ich dich sehen kann. Denke an unsere heimlichen Dates. Denke an unsere heimlichen Orte, an denen wir stundenlang gesprochen haben.

Denke an die Nachrichten und die aufmerksamen Pausen zwischen den Nachrichten. Denke an die heißen, atemlosen Nächte im August und die angenehme Sonne im Januar.

Ich hatte das Gefühl, dass jedes Mal, wenn wir uns trafen, die Zeit stehen blieb, um alles, was wir erlebt hatten, aufzuhalten. Unsere Dates fanden auf Berggipfeln statt und um uns herum war nur die unberührte Natur.

Ich frage mich, woran du dich am meisten erinnerst. Mir gehen tausend Gedanken durch den Kopf, das geht  sehr gut. Ich genieße es, mich mit Vokalen und Buchstaben auszutoben und hoffe, etwas wertvolles für die Menschheit schaffen zu können.

Ich mag es zu denken, dass ich für dich nicht nur ein Körper in einem Bett war, nicht nur jemand, der einmal das gute Mädchen war, sehr kluges Mädchen, das alle anderen ignoriert haben. Ich mag es zu denken, dass du eine andere Meinung über mich hast, als die, die du hattest, als ich gegangen bin.

Es gab auch Zeiten, da gefiel mir die Idee, dass du überhaupt an mich denkst.

Aber ich habe in diesen vielen Jahren genug darüber nachgedacht. Jetzt bist du dran.

Ich hoffe, dass ich dich nicht mit meinen Gedanken nerven werde. Aber ich will dein Gehirn beschäftigen. Ich will, dass du die verletzlichsten Erinnerungen herausfindest, die du von mir hast und sie vermisst. Ich möchte, dass du weißt, wie es ist, von etwas kontrolliert zu werden, das du nicht kontrollieren kannst, wenn auch nur für eine Weile.

Ich bin stärker, als du denkst.

Du hast mir mal gesagt, ich sei schüchtern. Du hast mir mal gesagt, ich hätte Angst vor Dingen, die ich nicht mal kenne. Du hast die Träume, die ich hatte, in deinen Händen gehalten und sie verpönt.

Einmal als wir im Urlaub waren gingen wir tauchen. Die Wellen waren so hoch und ich hatte unheimliche Angst, ins Wasser zu springen. Doch du hast mich aus dem Meer gerufen und angeschrien ich solle springen. Und als ich das tat, schlugen mir die Felsen die Knie auf.

Später als wir im Auto saßen, hast du stundenlang nicht mit mir gesprochen, sondern hast stattdessen mit den Fäusten auf den Autositz geschlagen.

Früher glaubte ich dir. Ich sagte mir, ich würde nie schüchtern sein. Ich würde die Erde unter meinen Füßen besitzen.

Jetzt weiß ich, dass ich immer stärker war als du und stärker, als du glaubtest. Ich denke, dir gefiel die Idee, dass ich verwundbar war, damit du derjenige sein könntest, der stärker aussah. Denn du liebtest es, den Retter zu spielen.

Erinnerst du dich an die Stimme, die ich am Anfang erwähnte? Sie ist aus dem Wut entstanden. Sie ist stärker als manche Knochen. Wenn man sie richtig benutzt, kann sie Steine zerschlagen. Du kannst mich nicht mehr so leicht verletzen.

Ich ließ dich mal meine Handgelenke zerquetschen und mich zu Boden schlagen. Du hast mir nicht erlaubt Hilfe zu rufen, indem du mir das Kissen gegen das Gesicht gehalten hast. Du hast mir ans Ohr geschrien, dass du mich nicht verletzen willst, sondern nur festhalten.

Ich habe dich das alles machen lassen und habe nie ein Wort den Nachbarn erzählt. Ich frage mich, haben sie sich jemals gefragt, was mit mir los war.

Aber du kannst mich nicht mehr missbrauchen. Ich habe sowohl Flügel als auch Fäuste.

Ich bin ein Frühaufsteher. Unzählige Male hast du bis Mittag oder später geschlafen. Ich wachte immer gegen sieben Uhr auf, starrte auf die Decke und sehnte mich nach Frühstück, nach Kaffee und einem Spaziergang.

Und du? Du lagst nur da, mit ausgebreiteten Beinen wie ein Seestern. Du hast ungemütlich geschlafen und ich versuchte dich zu küssen, doch du hast immer wieder den Kopf von mir gedreht.

Ich weiß nicht, warum ich bis Mittag bei dir geblieben bin. Vielleicht habe ich darauf gewartet, dass du sagst, dass du mich liebst. Vielleicht hatte ich gehofft, dass wenn du aufwachst, du dich bei mir entschuldigst oder mir das Haar hinter das Ohr steckst.

Doch du hast diese Dinge nie getan.

Ich genieße jetzt meine Morgenstunden alleine.

Ich stehe um fünf oder sechs Uhr auf, setze mich an die Fensterbank und beobachte den wunderschönen Himmel. Bereite mir das Frühstück vor und spaziere nackt die Küche entlang.

Was ich noch alles morgens mache, werde ich dir nicht verraten, weil du das nicht verdienst.

Doch eins will ich dir sagen: Wenn du schläfst, bin ich immer wach und atme. Ich genieße das Leben mit vollen Zügen.

Ich gehe immer einen Schritt weiter.

Ich bin schon so weit weg von dort, wo ich war, als ich dich verlassen habe.

Ich bin wie ein Paar Zahnspangen, die ich als Kind nie hatte, weil sie zu teuer waren. Ich erhole mich und sehe gut aus und du siehst das nicht einmal.

Aber der Weg bis dahin war überhaupt nicht leicht. Ich bin an so viele Hindernisse gestoßen und war an solche Schmerzen nicht gewöhnt. Ich musste in meinem Leben noch nie so viel Leid ertragen, aber ich habe es geschafft, zu überleben.

Als ich mit dir zusammen war habe ich ein Teil meiner Seele verloren. Jetzt bereue ich das zutiefst, doch damals wusste ich nicht einmal was ich verlor.

Ich habe es geschafft meine Seele zurück zu bekommen und genieße jetzt mein Leben. Ich zeige ein Lächeln, das brillant und unverfälscht ist.

Ich erlebe so viele Sachen, die ich nie tun konnte, als ich mit dir zusammen war. Ich habe gelernt, dass du der Damm zu einem mächtigen, tiefen, intuitiven Fluss warst, der jetzt in der Lage ist zu fluten, zu stürzen und zu rasen.

Ich male, schreibe und genieße es unter Menschen zu kommen. Sie lieben mich. Ich suche das Licht des Mondes und ehre es. Ich trage nie sexy Unterwäsche, weil ich sie nicht brauche, um attraktiv zu sein.

Vorbei sind die Tage, an denen ich durch die halbe Stadt gelaufen bin, um nur wegen dir spezielle Netzstrumpfhosen zu kaufen, die du am nächsten Morgen zerreißen und vergessen würdest.

Ich habe das aufgegeben, was ich für einen Traum hielt, aber es war wirklich ein Leben nach deinen eigenen, erbärmlichen Standards.

Ich bin zu dem geworden, was ich immer war: frei. Und ich werde mich weiter auf das konzentrieren, was hell und möglich ist.

Ich werde für die Sicherheit anderer Frauen kämpfen.

Wenn ich dir für etwas zu danken habe, dann ist es die Vision, die du inspiriert hast. Ich sehe jetzt, dass Missbrauch und Toxizität nicht selten sind, schreckliche Dinge, die in Schränke geschoben werden. So viele Frauen können meine Geschichte verstehen.

Sie wurden auch verletzt, geschlagen und missbraucht. Man hat ihnen auch gesagt, dass sie verrückt, zu emotional, zu ängstlich und zu verzweifelt sind. Sie wurden ebenfalls eingesperrt und so eingestellt, dass sie an den Wert ihrer Behandlung glauben.

Du hast mir meinen Stamm gezeigt.

Ich werde mit all meinen Kräften für diese Frauen kämpfen. Ich werde alles für sie geben. Ich werde sie vor denen beschützen, die versuchen, ihr Licht zu stehlen.

Denn du hast versucht, Dunkelheit in mein Leben zu bringen, aber ich habe es geschafft das Licht wieder anzumachen.

Ich wünsche dir alles Gute.

Denn ich bin zurück und habe eine Stimme.

Diese Stimme ist klangvoll, und ihre Farben stammen zum Teil aus meiner Zeit, die ich mit dir verbracht habe. Ich werde für mich selbst und für alle Frauen sprechen. Aber ich möchte, dass du weißt, dass ich nicht reden werde, um dich zu verletzen, zu zerstören oder zu erniedrigen.

Das ist nicht meine Art, und das wird sie auch nie sein.

Denn ich spreche mit Gnade, Liebe, Kraft und Integrität.

Und deswegen wünsche ich dir alles Gute.

Ich will nicht wissen, wo du bist oder was du tust, wie du liebst oder was du denkst. Aber ich hoffe, dass dein Weg dich zu einem helleren, leichteren Ort führen kann, wo du keine Lügen als falsche Trittsteine für deine eigene Selbstliebe benutzen musst.

Ich hoffe, auch du kannst dein bestes Selbst werden. Aber ich werde dir nicht helfen, das zu schaffen. Ich bin zu beschäftigt. Und du weißt schon mit was. Ich muss laut sein. Ich bin zu sehr damit beschäftigt, neue Fäden meiner eigenen, unnachahmlichen Wildheit zu suchen.

Schließe deine Augen und öffne deine Ohren. Wenn du gut zuhörst, wirst du mich hören.

Mit freundlichen Grüßen,

Die, die ihre Stimme wieder hat!