Wenn man mit einem Narzissten zu tun hat, sei es in einer Partnerschaft, in der Familie oder im beruflichen Umfeld, stellt man sich oft die Frage: Leidet er eigentlich auch?
Ist hinter all der Kälte, der Härte, den ständigen Manipulationen und dem Drang nach Macht nicht doch ein Mensch, der innerlich zerbricht? Viele Betroffene wünschen sich fast, dass es so wäre – aus dem einfachen Grund, dass es das eigene Leid erklärbarer machen würde.
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Denn wer fühlt, kann vielleicht auch eines Tages verstehen. Wer spürt, könnte vielleicht eines Tages ändern.
Doch die bittere Wahrheit lautet: Ein Narzisst leidet nicht – jedenfalls nicht so, wie es ein empathischer Mensch tut.Sein Inneres funktioniert anders, sein Bezug zu Gefühlen ist verschoben, und seine Mechanismen sind darauf ausgerichtet, Schmerz nicht bei sich selbst zuzulassen, sondern ihn konsequent auf andere zu übertragen.
Was Leid für empathische Menschen bedeutet
Um zu verstehen, warum ein Narzisst nicht leidet, muss man zunächst begreifen, was Leid für „normale“, empathische Menschen bedeutet. Leiden entsteht, wenn man sich selbst spürt, wenn man Schmerz zulässt, wenn man die eigene Verletzlichkeit anerkennt.
Es ist der Moment, in dem ein Mensch merkt: Hier ist etwas, das mir weh tut, das mich an meine Grenzen bringt, das mich zwingt, nachzudenken oder etwas zu verändern.
Leid ist schwer, aber es hat auch eine Funktion. Es zwingt uns, genauer hinzusehen, Muster zu erkennen, Entscheidungen zu treffen. Wer Leid annimmt, kann daraus wachsen. Darin liegt der Unterschied: Leid ist unangenehm – aber es ist auch eine Tür zu Entwicklung.
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Ein Narzisst jedoch kennt diesen Prozess nicht. Er lehnt ihn ab, weil er ihn als Bedrohung empfindet.
Das verschobene Innenleben des Narzissten
Narzissten tragen eine innere Leere in sich, die schwer zu beschreiben ist. Sie haben nie gelernt, ein stabiles Selbstwertgefühl zu entwickeln. Stattdessen haben sie ein brüchiges, künstliches Konstrukt aufgebaut, das man auch als „falsches Selbst“ bezeichnet. Dieses falsche Selbst ist darauf angewiesen, ständig von außen gespiegelt und bestätigt zu werden.
Das bedeutet: Alles, was ihn an Schwäche erinnert, alles, was sein Selbstbild infrage stellt, wird sofort abgewehrt. Leid, so wie es andere Menschen erleben, würde ihn mit dieser inneren Leere konfrontieren. Und genau das darf in seiner Welt nicht passieren.
Statt den Schmerz zu fühlen, spaltet er ihn ab. Er wirft ihn nach außen, projiziert ihn auf andere, sorgt dafür, dass der Partner, das Kind oder die Kollegen fühlen, was er selbst niemals fühlen will.
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Warum ein Narzisst nicht leidet – sondern Leiden erzeugt
Ein Narzisst leidet nicht, weil er den Schmerz gar nicht bei sich behält. Er gibt ihn weiter. Wenn er gekränkt wird, reagiert er nicht mit stiller Traurigkeit, sondern mit Wut, Spott, Kälte. Anstatt die Verletzung zu verarbeiten, verwandelt er sie in einen Angriff.
Das erklärt, warum Betroffene so oft das Gefühl haben, in einem endlosen Kreislauf von Abwertung und Schuldzuweisungen zu stecken. Der Narzisst „reinigt“ sich innerlich, indem er die Last in anderen auslöst. Er schafft es, dass du leidest – und genau dadurch fühlt er sich wieder stark.
Sein „Nicht-Leiden“ ist also kein Zeichen von Stärke, sondern von Unfähigkeit. Er kann nicht fühlen, was ihn verletzen würde, also sorgt er dafür, dass andere es für ihn fühlen.
Die Illusion von Trauer und Reue
Viele fragen sich: Aber was ist mit den Momenten, in denen er weint oder so wirkt, als täte es ihm leid? Diese Momente gibt es, und sie verwirren. Doch sie sind selten echt.
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Oft handelt es sich um eine Inszenierung – eine Reaktion darauf, dass der Narzisst merkt, dass er jemanden verlieren könnte, der für seine Bestätigung wichtig ist. Sein „Leid“ ist in Wahrheit Angst vor dem Verlust seiner Kontrolle.
Es ist keine echte Trauer über den Schmerz des anderen oder über eigenes Verhalten, sondern eine Form von Selbstmitleid, die sofort wieder verschwindet, sobald er seine Macht zurückgewonnen hat.
Echte Reue würde bedeuten, Verantwortung zu übernehmen, Schuld anzuerkennen, sich ehrlich mit den eigenen Schwächen auseinanderzusetzen. All das ist für einen Narzissten undenkbar.
Warum Betroffene sich wünschen, dass er leidet
Es ist ein zutiefst menschlicher Wunsch, dass jemand, der uns verletzt hat, irgendwann auch selbst leidet. Wir hoffen, dass er es eines Tages bereut, dass er nachts wach liegt, dass ihn sein Gewissen quält. Dieser Gedanke gibt uns Trost, weil er bedeutet: Mein Schmerz war nicht umsonst.
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Doch bei einem Narzissten bleibt dieser Trost aus. Er leidet nicht so wie du. Er empfindet vielleicht Frustration, Wut, Langeweile oder Leere, aber keine echte Schuld, keine echte Trauer.
Das ist hart zu akzeptieren, aber auch befreiend. Denn es bedeutet: Dein Heilungsweg darf sich nicht daran orientieren, dass er irgendwann Reue zeigt. Dein Weg hängt allein von dir ab.
Die seelische Immunität des Narzissten
Man könnte sagen, dass Narzissten eine Art seelische Immunität gegenüber Leid haben. Nicht, weil sie so stark sind, sondern weil sie alles abwehren, was sie verletzlich machen könnte. Diese Immunität schützt ihr Ego, aber sie zerstört ihre Menschlichkeit.
Sie zahlen dafür einen hohen Preis: Sie bleiben innerlich leer, unfähig zu echter Nähe, abgeschnitten von ihrer eigenen Verletzlichkeit. Doch dieser Preis trifft sie nicht so, wie dich dein Leid trifft. Sie können damit leben, weil sie gelernt haben, ohne Tiefe zu funktionieren.
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Wer wirklich leidet: die Umgebung
Die Wahrheit ist: Ein Narzisst leidet nicht – aber er erzeugt Leid. Seine Partnerinnen, seine Kinder, seine Freunde, seine Kollegen tragen das Gewicht, das er abwirft. Sie fühlen die Entwertung, die Abweisung, die Wut, die eigentlich in ihm bleiben müsste.
Das erklärt, warum Menschen nach einer Beziehung mit einem Narzissten oft erschöpft, traumatisiert und zutiefst verletzt sind. Sie haben das Leid getragen, das der Narzisst nicht fühlen konnte. Sie haben nicht nur ihre eigenen Schmerzen gespürt, sondern auch seine verdrängten Anteile.
Der Kreislauf der Abwehr
Ein Narzisst bewegt sich in einem endlosen Kreislauf:
- Er wird gekränkt oder verletzt.
- Anstatt den Schmerz zu fühlen, wehrt er ihn ab.
- Er projiziert ihn auf andere.
- Er fühlt sich kurzzeitig überlegen.
- Doch die innere Leere bleibt bestehen.
So entsteht eine Dynamik, die niemals zur Heilung führt. Denn Heilung würde bedeuten, Leid anzunehmen und daraus zu lernen. Ein Narzisst bleibt stattdessen in einer ständigen Flucht vor sich selbst.
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Warum es für Betroffene so wichtig ist, das zu verstehen
Viele Menschen in narzisstischen Beziehungen bleiben in der Hoffnung: Irgendwann wird er verstehen, was er mir angetan hat. Irgendwann wird er leiden wie ich. Doch genau diese Hoffnung hält sie gefangen.
Zu erkennen, dass ein Narzisst nicht leidet, ist schmerzhaft – aber es befreit. Es bedeutet, dass du deine Erwartungen loslassen darfst. Dass du nicht länger auf eine Reue wartest, die nie kommen wird. Dass du begreifst: Sein Weg ist nicht deiner.
Narzissten und ihre scheinbaren Krisen
Manchmal scheint es, als würde ein Narzisst zusammenbrechen – etwa nach einer Trennung, einem Jobverlust oder einem großen Konflikt. Er wirkt niedergeschlagen, vielleicht sogar hilflos. Doch dieser Zustand hält selten lange an.
Denn sein System funktioniert so, dass er sofort einen Schuldigen sucht, sofort nach außen zeigt, sofort jemanden findet, auf den er den Schmerz abwälzen kann. Es ist kein echtes Leid, das er verarbeitet – es ist eine Krise, die er mit denselben Mechanismen überdeckt.
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Fazit: Leid ist nicht sein Weg – sondern deiner
Ein Narzisst leidet nicht, jedenfalls nicht so, wie du es dir vielleicht wünschst. Er kennt keine echte Schuld, keine echte Reue, keine echte Trauer. Sein System ist darauf ausgerichtet, Leid abzuwehren und auf andere abzuwälzen.
Das bedeutet für dich: Dein Weg darf nicht darauf warten, dass er sich ändert. Dein Weg beginnt dort, wo du erkennst, dass sein Nicht-Leiden nicht dein Problem ist. Dein Schmerz ist real – und er verdient es, gesehen und geheilt zu werden.
Die Befreiung liegt darin, dass du nicht länger seine innere Leere füllst. Dass du aufhörst, sein Leid für ihn zu tragen. Und dass du begreifst: Er wird vielleicht nie leiden – aber du musst es auch nicht mehr.
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