Ich erinnere mich noch genau an einen lauen Sommerabend in den ersten Wochen unserer Beziehung. Wir saßen auf der kleinen Terrasse meiner Wohnung und ich fühlte mich so geborgen wie schon lange nicht mehr.
Sein Arm lag locker um meine Schultern, während wir gemeinsam in den funkelnden Abendhimmel schauten und leise über unsere Träume sprachen. In diesem Moment glaubte ich, endlich jemanden gefunden zu haben, der mich wirklich verstand und bei dem ich ankommen durfte.
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Alles an diesem Augenblick fühlte sich warm und vertraut an, als würde ich ihn schon ewig kennen.
Schon bald überhäufte er mich mit Aufmerksamkeit und liebevollen Gesten. Jede Nachricht von ihm ließ mein Herz höher schlagen, jeder spontane Spaziergang mit ihm fühlte sich an wie ein Kurzurlaub vom Alltag. Er schaute mich mit einem Blick an, der so viel Wärme ausstrahlte, dass ich jede Vorsicht vergaß.
Ich fühlte mich besonders und auserwählt – als hätte das Schicksal uns zusammengeführt. Es war, als hätten wir eine eigene kleine Welt voller Vertrautheit und süßer Versprechen, in der nur wir beide existierten.
Damals ahnte ich nicht, wie zerbrechlich diese heile Welt in Wahrheit war. Er hörte mir zu und spiegelte meine Gefühle so einfühlsam, dass ich uns beinahe für Seelenverwandte hielt.
Ich war überzeugt, dass wir uns ganz nah wären und alles voneinander wussten. In Wirklichkeit aber kannte ich nur das strahlende Bild, das er mir von sich zeigte. Zweifel oder Ungleichgewicht spürte ich in diesen ersten Wochen nicht – nur dieses sichere Gefühl, endlich angekommen zu sein.
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Bald gehörten seine täglichen Anrufe und Nachrichten fest zu meinem Alltag. Anfangs fand ich es rührend, wie sehr er mich in seinem Leben haben wollte. Wenn ich einmal nicht sofort zurückschrieb oder abheben konnte, spürte ich seine Unruhe.
Besorgt fragte er dann, ob alles in Ordnung sei, warum ich so still wäre. Ich deutete sein Drängen als Sorge um mich und bemühte mich fortan, immer erreichbar zu sein. Ich wollte ihn auf keinen Fall enttäuschen.
Unmerklich drehte sich mein Leben immer mehr um ihn. Die spontanen Kaffeerunden mit Kolleginnen wurden seltener, meine Hobbys rückten in den Hintergrund. Wollte ich doch einmal eine Freundin sehen, spürte ich sofort seinen verletzten Unterton – also sagte ich Verabredungen ab, um ihn nicht zu kränken.
In meinem Herzen wollte ich einfach für ihn da sein, so wie er es sich wünschte. Schließlich tat er doch auch so viel für mich, redete ich mir ein. Heute weiß ich, dass ich mich damals selbst langsam verlor, aber das konnte ich lange nicht sehen.
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Einige Monate später lag ich mit einer heftigen Erkältung im Bett und hoffte insgeheim, er würde vorbeikommen, um mir beizustehen – so, wie ich es für ihn getan hätte. Stattdessen rief er am Nachmittag nur kurz an. Er erzählte ausgiebig von seinem Tag und legte auf, ehe ich von meinem Zustand berichten konnte.
Als ich später vorsichtig sagte, dass ich ihn vermisst hatte, reagierte er genervt: Ich sei doch kein Kind und käme schon alleine klar. Seine Worte trafen mich tief und heiße Scham stieg in mir auf. Ich murmelte eine Entschuldigung und legte schnell auf, ohne zu wissen, was ich falsch gemacht hatte. Danach liefen mir leise Tränen über die Wangen.
Natürlich redete ich mir ein, er habe nur einen schlechten Tag gehabt. Ich schluckte meine Enttäuschung hinunter und nahm mir vor, mich noch mehr anzustrengen, um seine Liebe zu verdienen.
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Mit der Zeit wurde ich immer vorsichtiger. Ich wog jedes Wort ab, lachte über Witze, die mich insgeheim verletzten, und schwieg, wenn er meine Ansichten ins Lächerliche zog – Hauptsache, kein Konflikt.
Eigene Bedürfnisse äußerte ich kaum noch; Harmonie bedeutete, seine Regeln zu befolgen. Die Angst, ihn zu enttäuschen oder gar zu verlieren, begleitete mich ständig.
Trotz all meiner Bemühungen trübte sich die Stimmung immer häufiger. Wenn etwas nicht nach seinem Willen lief, wurde seine Stimme schnell kalt oder ungeduldig. Einmal wies er einen Kellner schroff zurecht, nur weil sein Kaffee nicht heiß genug war.
Die plötzliche Kälte in seinen Augen jagte mir einen Schauer über den Rücken. Solche Momente irritierten mich, doch nach kurzen Entschuldigungen seinerseits kehrte ich wieder in die alten Muster zurück.
Er klagte auch oft darüber, wie sehr andere Menschen ihn enttäuscht hätten – vor allem ehemalige Freundinnen, die alle “verrückt” oder “undankbar” gewesen seien. Anfangs glaubte ich ihm und wollte ihm beweisen, dass ich anders war.
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Doch irgendwann fragte ich mich, warum in seinen Geschichten immer nur die anderen die Schuld trugen und nie er selbst. Diesen leisen Zweifel schob ich jedoch schnell wieder beiseite.
So hielt ich an der Hoffnung fest, dass alles wieder so werden könnte wie am Anfang – wenn ich nur stark genug liebte und geduldig blieb. Ich klammerte mich an die schönen Erinnerungen und wollte nicht wahrhaben, was mein Bauchgefühl mir längst zuflüsterte.
Eines Nachts lag ich hellwach und grübelte. Gequält von all den unbequemen Fragen, die ich mir so lange nicht hatte stellen wollen, griff ich schließlich zum Laptop. Auf der Suche nach Erklärungen für unser ständiges Ungleichgewicht stieß ich immer wieder auf ein Wort: Narzissmus.
Mit klopfendem Herzen las ich Artikel um Artikel über manipulative Beziehungen, fehlende Empathie und Kontrolle. Mir wurde abwechselnd heiß und kalt, denn Zeile für Zeile erkannte ich uns darin wieder. Es war, als würde jemand unsere letzten Monate beschreiben.
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Ich schloss den Laptop. Ein Teil von mir wollte das Gelesene nicht wahrhaben. Doch eine andere Stimme tief in mir wusste, dass ich die Wahrheit längst kannte.
Wenige Tage später bereitete ich ein Abendessen für uns vor und gab mir besonders viel Mühe. Als er kam, war sein einziger Kommentar eine kühle Kritik: Ich hätte die falschen Weingläser hingestellt.
Früher hätte ich mich sofort entschuldigt und alles nach seinem Wunsch geändert. Diesmal blieb ich still und sah ihn nur an. Ich bemerkte seine Verärgerung über meine ausbleibende Reaktion – doch in mir war plötzlich alles ganz ruhig. Mir wurde klar: Das hier ist keine Liebe. Das ist ein Machtspiel.
In diesem Augenblick riss das Band der Illusion endgültig. Ich hatte endlich begriffen, dass es nie eine echte Partnerschaft gewesen war. Ich war nicht seine gleichberechtigte Partnerin, sondern nur Publikum auf seiner Bühne, ein Spiegel für sein Ego.
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Er brauchte Bewunderung und Kontrolle; meine eigenen Bedürfnisse hatten keinen Raum. Nähe gab es nur, wenn sie ihm nützte.
Diese Erkenntnis tat weh, brachte mich aber zugleich seltsam zur Ruhe. Ich hatte nicht versagt – ich hatte nur mich selbst viel zu lange vergessen.
Kurze Zeit später teilte ich ihm ruhig mit, dass ich die Beziehung beenden werde. Keine Vorwürfe, kein Drama. Er zuckte nur mit den Schultern und nannte mich “überempfindlich”. Seine Gleichgültigkeit verletzte mich, bestärkte mich aber auch in meinem Entschluss.
Noch am selben Wochenende packte ich meine Sachen und verließ am frühen Morgen das Haus. Als ich die Tür hinter mir schloss, standen mir Tränen in den Augen, doch zugleich fühlte ich mich so frei und ruhig wie schon lange nicht mehr.
Die ersten Tage danach verbrachte ich wie in Trance. Ich erwischte mich dabei, wie ich immer noch auf eine Nachricht von ihm wartete – doch es kam keine. Mit jeder Nacht, die ich allein verbrachte, schlief ich ein bisschen besser. Mit jedem Tag atmete ich etwas freier.
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Erst jetzt wurde mir bewusst, wie sehr ich mich verbogen hatte. Schritt für Schritt lernte ich, wieder auf eigenen Füßen zu stehen und zu mir selbst zurückzufinden. Ich war erschöpft und traurig über die verlorene Zeit, aber auch stolz, dass ich mich befreit hatte. Langsam erinnerte ich mich daran, wer ich war und was mir im Leben wichtig ist.
Heute, mit ein wenig Abstand, erkenne ich die Frau von damals kaum wieder – jene Frau, die glaubte, sie müsse sich klein machen, um geliebt zu werden. Ich bin ihr nicht böse; sie tat nur, was sie für Liebe hielt. Aber ich bin unendlich froh, dass sie am Ende die Augen geöffnet hat.
So schmerzhaft diese Erfahrung war, sie hat mich doch eines gelehrt: Liebe kann nur auf Augenhöhe funktionieren. Ich habe gelernt, meinem Bauchgefühl zu vertrauen und meine eigenen Grenzen zu schützen.
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Ich habe losgelassen – leise und ohne Groll. Jetzt schaue ich nach vorn und weiß, dass ich es wert bin, echte, ehrliche Liebe zu erfahren.
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